Als der Student der Music Production am BIMM Institute Berlin Lorenzo Jacobsen gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Diego Soto im Jahr 2018 in die Quedlinburger Straße 1 einzieht, steht schon fest, dass sie dort nicht lange bleiben werden. Das Haus in Charlottenburg, dessen Erdgeschoss sie bezogen haben, soll bald abgerissen werden.
Die beiden lassen sich von der prekären Situation jedoch nicht beirren und etablieren den kurzerhand nach seiner Stammadresse benannten Creative Space QS1 als einen Zufluchtsort zum Ausprobieren und Austoben. Zunehmend etabliert er sich zu einer Institution, die Räume für Musikproduktion und Kreative Arbeit bietet. Es sind Räume, die in Berlin maximal vonnöten sind, weil sie in der Breite sukzessive schwinden.
Im Jahr 2020 ereilt das QS1 eben dieses Schicksal, kommt es zum Abriss des Hauses. »Dann kam Weißensee«, erinnert sich Jacobsen heute. »Weißensee war die Rettung.« Bereits im April desselben Jahres dürfen die beiden dort eine Fläche in der Langhansstraße besichtigen. Der Vermieter erwartet eine genaue Beschreibung der Ideen, die in den Räumlichkeiten verwirklicht werden sollen und spricht zuerst von 200 Quadratmetern, die er ihnen zur Verfügung stellen könnte.
Es sollte das Fünffache werden. Der Vermieter vertraut den jungen Männern trotz ihres jungen Alters und so dürfen Jacobsen und Soto, mittlerweile ergänzt um Daniel Ladwig, den Raum ganz nach ihren Vorstellungen ausbauen und gestalten. Im Sommer fangen sie mit Abriss und Entkernung an, im November schon sind alle zehn Musikstudios und damit ein Viertel der Gesamtfläche vermietet.
DIY-Charme und professionelle Standards
Das Besondere am QS1 ist, dass alles daran selbst gemacht wurde. Mit Unterstützung von Freund*innen und bekannten Tischler*innen und Handwerker*innen schaffen es Jacobsen und Soto in Rekordzeit, das ehemalige Clubhaus der Hells Angels in einen Creative Space umzuwandeln, der DIY-Charme versprüht und dennoch professionellen Standards folgt.
Neben den zehn Studios verfügt die Location über eine Bar und einen Aufenthaltsraum mit kleiner Bühne sowie einen biergartenähnlichen Außenbereich mit Küche und Bar, der für Veranstaltungen genutzt werden kann. Dazu gesellt sich im hinteren Teil eine Holzwerkstatt, die in Zukunft von Tischler*innen gemietet werden kann.
Ein Highlight des riesigen Komplexes ist der multifunktionale Raum mit einer 26 Quadratmeter großen Bühne, der vor allem für Foto- und Videoproduktionen genutzt werden kann. Besonders ins Auge sticht hierbei ein sogenanntes Cyklorama: Dank abgerundeter Innenecken der Wand ermöglicht diese Bauart, in Videos den Eindruck eines unendlichen Raums zu vermitteln. Auch dafür kniete das Team von QS1 stundenlang auf dem Boden, schliff und verputzte die Wand, bis die perfekte Kurve fertig war.
Austausch auf Augenhöhe
Nicht nur auf die handwerkliche Gestaltung, sondern auch das soziale Miteinander der Kreativarbeiter*innen legt das Team des QS1 wert. Den Auswahlprozess für die Mieter*innen der zehn Studios bezeichnet Jacobsen als »nett und organisch«. Zugleich jedoch betont er, dass eine Selektion stattgefunden hat: »Wir wollten nicht zehn Techno-Produzent*innen auswählen, die alle das gleiche machen und sich nicht austauschen«, sagt er.
Stattdessen handelt es sich um Studierende, Amateurmusiker*innen oder auch professionelle Musiker*innen, die den jüngeren nach absolvierter Tournee erzählen können, wie die letzten zwei Wochen in Australien liefen. Dieser Austausch auf Augenhöhe zwischen allen Parteien der Institution sei Jacobsen und seinem Team sehr wichtig. Das QS1 soll ein Raum sein, in dem sich jede*r entfalten und vernetzen kann. Ein Ort des Wachstums – auf persönlicher wie auch gemeinschaftlicher Ebene.
Man kann gespannt bleiben, wie es für das Team hinter dem QS1 weitergeht. Von morgens bis abends, teilweise aber auch nachts feilen sie weiter an den verschiedensten Baustellen. Und doch vergeht kein Tag, an dem nicht eine neue Idee aufkommt, die es mit voller Kraft auf die Beine stellen können. Bald etwa wird im Outdoor-Bereich ein selbstgebauter Pizzaofen eingeweiht. Wieso? Das ist die falsche Frage. Im QS1 lautet die richtige immer: Wieso eigentlich nicht?