Die letzten warmen Spätsommertage brechen an. Auf der grünen Wiese vor dem Silent Green tummeln sich Menschen auf Decken und genießen die Sonne. »areal folds« aber zieht die Besucher*innen ins Unterirdische. Schon beim Betreten der Ausstellung offenbart sich auf den ersten Blick, welche Stimmung Andi Toma und Jan St. Werner mit ihrer »Komposition aus Klanginstallationen und fluiden akustischen Situationen«, wie das noch bis zum 17. September laufende Projekt angekündigt wurde, anvisieren.
Der Ort, mit dem die beiden einen Dialog treten, umrahmt und unterstreicht das. Zuerst geht es in den Teil des Silent Green, in dem noch bis zum Jahr 2001 im damaligen Krematorium die Verbrennungen stattfanden: die Betonhalle. Ein langer Tunnel führt in die unterirdische Finsternis hinab. Außer einem flachen Lichtkegel, der die Beine von vorausgehenden Menschen anstrahlt, bleibt es auf dem Weg nach unten dunkel. Raue Töne begleiten ihn und kreieren einen fast unheimlichen Drone. In Intervallen wird er von dumpfen Bässen kontrapunktiert, die, umso tiefer es geht, an Intensität gewinnen.
Der Gang mündet schließlich in der Betonhalle des Kulturquartiers, wo Mouse On Mars das Kernstück ihrer ineinander greifenden Klanginstallationen präsentieren. Einmal hier angekommen, ist an das warme Wetter und das Sonnenlicht draußen nicht mehr zu denken. Die Luft in der 1.600 m² großen Fläche ist kühl. Symmetrische Lichtkegel legen sich auf die hohen Decken und bewegen sich im Rhythmus der Klänge.
In der weitläufigen Halle mit ihren massiven Wänden und Decken sind nur vier Lautsprecher aufgebaut, das Ambiente wirkt dementsprechend minimalistisch – es ist die Akustik, die bei »areal folds« im Zentrum steht. Sie sorgt dafür, dass diese Komposition der düsteren Klangmalerei einen ständigen Widerhall erfährt.
Das Künstlerduo, das diesen akustischen Parcours erschaffen hat, gründete sich im Jahr 1993. Andi Toma und Jan St. Werner ließen ihrem Interesse an experimenteller elektronischer Musik freien Lauf, ohne sich den Konventionen der Musikindustrie zu beugen. Seither steht das Duo für einen grenzsprengenden Sound, der von der breiten Vielfalt neuerer elektronischer Musik und auch Clubkultur inspiriert ist – Post-Techno würden es manche wohl deshalb auch nennen.
Auf seinem legendären Debütalbum »Vulvaland« ließ das Duo Elemente von Dub, Ambient und Krautrock in Klangtexturen einfließen, die sich im ständigen Dazwischen bewegten. Seitdem ist viel passiert, haben Mouse On Mars eine lange Reihe von Alben veröffentlicht und aber auch immer wieder installativ gearbeitet. Zuletzt etwa mit der in einer gleichnamigen Veröffentlichung dokumentierten Soundinstallation »Spatial Jitter« im Münchener Lenbachhaus, die als ortsspezifische Arbeit zum Vorreiter von »areal folds« wurde.
Das Zusammenspiel von Klang und Licht in »areal folds« wirkt mechanisch und präzise. Die flächigen Lautsprecher rotieren in unterschiedlichen Tempi und halten immer wieder in einer bestimmten Ausrichtung inne, um ein perfektes Zusammenspiel zwischen Sound und Raum zu kreieren. Wie das Wasser eines riesigen Schwimmbeckens füllen die Klänge die Betonhalle und erzeugen eine voluminöse Dichte.
Die im Raum verstreuten Lichtquellen hingegen werfen die Schatten der Besucher*innen an die Wände, sodass die klangliche Dynamik durch das Publikum selbst visualisiert wird. Aufgrund der weitläufigen Leere der Betonhalle ist das restliche visuelle Geschehen reduziert, weshalb Besucher*innen sich von ihrem Hörsinn und nicht dem Blick durch den Parcours leiten lassen. Manche von ihnen suchen sich einen Sitzplatz und schließen die Augen, andere wiederum laufen umher und lassen sich vom klingenden Strom mitreißen.
Abseits der Betonhalle ist ein separater Raum zu entdecken, in dessen Mitte eine pendelartige Klanginstallation errichtet ist. Ein buntes Licht bewegt sich flackernd zu den schallenden Tönen. Der sogenannte Kinosaal fungiert wie ein einzelnes Puzzleteile, das aus dem Sound-Spektakel der Betonhalle entnommen wurde und nun autonom in konzentrierter Form statt in der weitläufigen Offenheit auf das Publikum einwirken soll. Die Klang- und Raumerfahrung wird verdichtet.
Obwohl der von Mouse On Mars konzipierte Parcours aus unterschiedlichen Stationen besteht fügt sich »areal folds« auf diese Art zu einem großen Ganzen zusammen. Was zu Beginn konfus erscheint, erzeugt ein zunehmend holistisches Gesamtbild, je länger die Tonsequenzen im Lichtspiel manövrieren. Die einzelnen Klänge vermischen sich und kreieren einen Rhythmus aus dumpfen Bässen und nachhallenden Echos. Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt und greift ineinander.
Tritt man nun den Weg zurück ans Tageslicht an, geht es denselben Weg hinauf, der den Beginn des Parcours markierte. Der einzige Unterschied: Es ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen, während die umher schwirrenden Klänge peu à peu verhallen. Zurück an der Oberfläche bleibt ein fast schon meditatives Gefühl, das sich erst nach Verlassen der dunklen, rauschenden Betonhalle voll entfaltet.