Der Morphine Raum in den Hinterhöfen der Köpenicker Straße ist gleichzeitig Studio, Bühne und bisweilen Werkstatt für den Bau von Instrumenten. Obwohl er einen gewissen DIY-feel hat, wirkt doch nichts daran provisorisch. Der intime Raum ist bis in die Details liebevoll ausgestaltet und dabei auf das Wesentliche – den Klang – reduziert. Auffallend sind allein die großen skulpturalen Lautsprecher, die handgefertigte (Farfield Koaxial-)Studiomonitore des Erbauers Mo Stern sind.
Beaini, der als Produzent, DJ und Labelbetreiber seinen Lebensunterhalt mit Auftritten auf der ganzen Welt verdiente, suchte bereits vor der Pandemie nach einer lokalen Struktur, die ihm Stabilität für seine künstlerische Arbeit bietet. Als hätte er eine Vorahnung gehabt, fiel die Gründung des Morphine Raums tatsächlich auf zwei Wochen genau mit dem Einbruch der Pandemie zusammen. Ab diesem Zeitpunkt steckte Beaini viel Geld und definitiv all seine Zeit und Energie in den Raum, der plötzlich nicht mehr nur für ihn, sondern für eine ganze Community wichtig war. Der Ort, der ursprünglich lediglich als Produktionsstätte gedacht war, bot Künstler*innen einen sicheren Arbeitsraum, der groß genug war, um nicht unter die Einschränkungen zu fallen. Das Team begann mit Aufnahmen und Video-Streaming und richtete im Zuge dessen ein Aufnahmestudio ein. Künstler*innen können hier ihre Projekte von der Konzeption bis zur Aufführung unter besten klanglichen Bedingungen entwickeln und haben zudem die Möglichkeit, von den Konzerten auch Live-Aufnahmen zu machen. Das Aufnahmestudio ist mit analogem High-End-Equipment ausgestattet und es wird größten Wert auf die Qualität der Produktion gelegt – von der Aufnahme bis zum Hören.
Unprätentiös beschreibt sich Morphine selbst als »provider of non-restricted creative output from a wide range of artists across the globe.« Beaini ist bekannt dafür, Genregrenzen geflissentlich zu ignorieren, sowohl in seiner eigenen Arbeit als auch bei der Kuratierung seines Labels Morphine Records, auf dem der von serbischer Folklore inspirierte Noise-Rock von Gordan, die Experimente mit Solo-Trompete von Mazen Kerbaj und neueste Musik von gamut inc. ebenso ein Zuhause gefunden haben wie avancierte Musik aus Indonesien und dem Libanon. Das Label hat in den vergangenen Jahren wichtige (oft übersehene) Stimmen der elektronischen Avantgarde und der internationalen Musik in den Vordergrund gerückt. Obwohl Label und Raum unabhängig voneinander agieren, spiegelt ist die Vielfältigkeit auch dem Programm des Mophine Raums eigen.
Für alle, die sich selbst ein Bild verschaffen wollen, gibt es im Sommer ein vielseitiges Programm: Am 4. Mai präsentiert Occulto das Montrealer Poesie- und Elektroakustik-Duo Cloud Circuit bestehend aus Jeremy Young und Deanna Radford sowie die in Berlin lebende Stimm- und Klangkünstlerin Alessandra Eramo. Am 24. Mai ist Tigre de Monte – früher bekannt als Rey Tigre – zu Gast. Den Namen wechselte der Künstler, nachdem er nach Monteverde, Costa Rica zog. Dort lebt er im Wald und wilde Tiere wie Schlangen, Fledermäuse und Ratten, Leben und Tod üben einen unmittelbaren Einfluss auf seine Musik aus.
Darüber hinaus gibt es weitere Ausgaben der fortlaufende Konzertreihe Dedicated Play von Beam Splitter, bei dem sich das Duo aus Audrey Chen (Stimme) und Henrik Munkeby Nørstebø (Stimme, Posaune und Elektronik) mit außergewöhnlichen Gastkünstler*innen aus aller Welt zusammentut. Im Mai haben sie Blacktop (Pat Thomas) und Orphy Robinson aus Großbritannien für zwei Sets eingeladen. In der Ausgabe im Juni sind Mauricio Takara und Carla Boregas zu Gast, die so häufig zusammengespielt haben, dass die Rollen zwischen dem Schlagzeuger und der Elektronikerin fließend ineinander übergehen. Die beiden sind seit langen Schlüsselfiguren der experimentellen Musikszene in São Paulo und seit kurzem in Berlin ansässig.