März 2023

Releases des Monats

13. März 2023 | Kristoffer Cornils

Foto: Kristoffer Cornils

Wer versucht, etwas über das Label Tjacktapes herauszufinden, wird nicht viel Erfolg haben. Der Name taucht auf den Websites einiger Mailorder auf und die dort angebotenen Veröffentlichungen werden wiederum auf einer user-generierten Discogs-Seite gelistet, die darüber hinaus keine weiteren Informationen zum Label oder den Menschen dahinter bietet. Das ist aber schon alles. Verständlich ist das, weil mit Blick auf den Labelkatalog schnell deutlich wird, dass es sich dabei um eine rechtlich nicht ganz einwandfreie Angelegenheit handelt. Ein Mitschnitt des Hörspiels »Cantata Of Fire« und ein Album mit Keyboard-Aufnahmen Terry Rileys sind dort etwa zu finden – offiziell lizenziert wurden sie anscheinend jedoch nicht.

Am sonderbarsten und zugleich faszinierendsten ist aber »Fylkingen« von Nam June Paik. Bei diesem Bootleg handelt es sich um den laut Booklet vom Musikkritiker Heinz-Klaus Metzger angefertigten Mitschnitt einer Performance, die auf den 18. September 1961 datiert wird und in der Stockholmer Kunsthalle Liljevalchs stattgefunden haben soll. Neben ein paar Bildern des Auftritts Paiks sowie einer knappen Auflistung der vier präsentierten Stücke bietet die Veröffentlichung keine weiteren Informationen oder kritische Einordnungen an. Wer also mit Paiks Schaffen oder den genannten Werken nicht vertraut ist, wird nach einem Durchlauf des Tapes nicht unbedingt schlauer sein: Hier und dort macht jemand auf Schwedisch Ansagen und erklingen ein paar Klaviertöne oder ohrenbetäubender Lärm – meistens aber ist es weitgehend still.

Weitgehend. Denn auch wenn nie wirklich klar wird, was genau Paik anstellt, ist auf »Fylkingen« doch jede Menge zu hören. Die Menschen im Publikum tuscheln, scharren mit den Füßen, lachen dann und wann, irgendwer hustet natürlich ständig. Was diese schlicht und doch liebevoll aufgemachte Kassette also viel mehr als die eigentliche Performance dokumentiert, ist deren Rezeption, das heißt die Stimmung im Publikum und die Atmosphäre im Raum. Sie erlaubt damit das, was Niklas Luhmann als Beobachtung zweiter Ordnung kategorisierte: Die eigene Wahrnehmung konstruiert sich über das Rezeptionsverhalten anderer Menschen. Deren Körper werden in diesem Fall durch die Aufnahme selbst zu Medien, wenn nicht gar Klang-Akteur:innen. Paiks eigentlich im Zentrum stehende künstlerische Akte werden, auf diese Art vermittelt, gespenstisch. Es hätte ihm wohl gut gefallen.

»Fylkingen« könnte als Beispiel dafür herangezogen werden, was Giada dalla Bontà kürzlich in field notes in Anlehnung an Brandon Labelle unter dem Aspekt der »sonic agency« analysierte: Der Affekt ergibt sich nicht durch die Kunst und ihre Inhalte als solche, sondern durch die Art und Weise ihrer Vermittlung. Was an Paiks hantologischer Performance so packend und wirkungsvoll scheint, ist just ihre Auswirkung auf die soziale Situation in der Liljevalchs an diesem Septembertag im Jahr 1961. Und gilt nicht dasselbe für jede Form von Kunst, dass sie niemals nur allein und an sich wirken kann und immer auf ihre Einbettungen und Resonanzen in den jeweiligen Kontext angewiesen ist? 

Die folgenden 15 Musikveröffentlichungen und drei Buchpublikationen in unseren Releases des Monats für den März 2023 richten sich freilich direkter an ihr Publikum. Aber auch sie vermögen weit darüber hinaus etwas bewirken. Versprochen.

Cisser Mæhl – Innemuseum (Sonic Pieces, LP/digital)

Cisser Mæhl – Innemuseum (Sonic Pieces)

Mit ihrem Label Sonic Pieces feierte Monique Recknagel im März 15. Jubiläum und feiert das gebührend mit der Veröffentlichung von »Innemuseum«. Das Debütalbum der dänischen Komponistin und Multiinstrumentalistin Cecilie »Cisser« Mæhl erinnert in seiner Vorgehensweise an jüngere Veröffentlichungen von etwa Joana Guerra oder Mabe Fratti: Gesang, der Einsatz diverser akustischer Instrumente und elektronische Mittel finden in Stücken zusammen, die strukturell verschiedene Liedtraditionen von Folk bis Pop aufnehmen, zugleich aber die kompositorische Direktheit mit viel klanglichen Interventionen erweitern und ausdifferenzieren. Es ist, das deutet der Titel bereits an, ein persönliches Album, das in seiner Vielschichtigkeit aber viele Anknüpfpunkte bietet. Intim und doch raumgreifend – wie so viele der Veröffentlichungen auf Sonic Pieces. Ein schönes und doch bescheidenes Geburtstagsgeschenk an das Publikum dieses herausragenden Labels.

 


Luca Forcucci – Terra (Crónica, CD/digital)

Luca Forcucci – Terra (Crónica)

Für »Terra« sammelte Luca Forcucci Field Recordings in Los Angeles, der brasilianischen Stadt Recife und Beirut. Der mittlerweile in Berlin lebende Komponist und Klangkünstler überreichte sie zusammen mit einer grafischen Partitur der Cellistin Noémy Braun und dem Perkussionisten Lucas Gonseth, die gemeinsam mit Forcucci an der Elektronik über drei Tage hinweg für eine anschließende Aufführung die Musik erarbeiteten, die auf diesem Album in fünf Stücken dokumentiert wird. Der transformatorische Arbeitsprozess speist sich ganz offensichtlich aus dem konzeptionellen Überbau und prägt die ästhetische Gestaltung: Alles auf »Terra« scheint ständig in Bewegung, reibt sich aneinander und finden einen sonderbaren Einklang im vermeintlichen Chaos. Es ist der Sound einer Erde, deren Wirkungsweisen sich manchmal dem Verständnis entziehen. 

Soheil Shayesteh – nhA (Zabte Sote, digital)

Soheil Shayesteh – nhA (Zabte Sote)

Mit dem Label Zabte Sote bietet der Künstler Ata Ebtekar alias Sote Künstler*innen aus dem Iran sowie der iranischen Diaspora eine Plattform. Die stilistische Bandbreite ist beeindruckend, nicht selten treffen allein auf einzelnen Releases verschiedene Genres, Stilistiken und künstlerische Vorgehensweisen aufeinander. So auch auf »nhA«, dem neuen Album von Soheil Shayesteh. Der in Amsterdam lebende Violinist und Kamantsche-Spieler verfolgt einen improvisatorischen Ansatz, der durch den Einsatz von Live-Elektronik klanglich erweitert wird. Über sieben Stücke hinweg entfaltet sich so ein nuanciertes Klangbild, das schroffe elektronische Klänge, pulsierende Rhythmen und Momente bedächtiger Ruhe umfasst. Sogar Gesang erklingt auf dem passend betitelten »Suspense« – wortlos und doch eindringlich. 

Andrea Belfi – Eternally Frozen (Bow/Maple Death, LP/CD/digital)

Andrea Belfi – Eternally Frozen (Bow & Maple Death)

Andrea Belfi ist ein umtriebiger Schlagzeuger, der die Möglichkeiten seines Instruments ständig erweitert und sich auch als Künstler dem konstanten Wandel verschrieben hat. Für »Eternally Frozen« hat er mit den Zinc and Copper-Mitgliedern Elena Kakaliagou am französischen Horn und Robin Hayward an der Tuba sowie Henrik Munkeby Nørstebø an der Posaune drei Größen der Berliner Szene für zeitgenössische und improvisierte Musik ins Studio geholt, um mit ihnen Kompositionen einzuspielen, die strukturell auf Kanons basieren. So klingen dann auch die fünf Stücke: zirkulär und doch stets in Veränderung begriffen, irgendwie formstreng und doch losgelöst von allen Konventionen. 

Andrea Neumann – elletsreuef (Thanatosis, digital)

Andrea Neumann – elletsreuef (Thanatosi

»elletsreuef« dokumentiert eine knapp halbstündige Performance der Echtzeitmusik-Pionierin Andrea Neumann beim Stockholmer Festival MONOPIANO im Jahr 2021. Neumann erkundet darin das Innenklavier, mit dem sie seit schon so langer Zeit arbeitet und dem sie doch immer neue Klänge zu entlocken vermag, hier anscheinend mit Kontaktmikrofon oder mittels Close Miking und auf jeden Fall viel Verzerrung: Elektronischer Noise steht am Anfang, zwischendurch ertönen die Saiten, die mal gezupft und mal gerieben werden, am Ende leitet dröhnender Krach das Finale ein. Die Dramaturgie ist ebenso simpel wie effektvoll, inszeniert die einzelnen Abstecher Neumanns in verschiedene Klangregister als aufregende Berg- und Talfahrt.

CM von Hausswolff & Chandra Shukla – Travelogue [Bali] (Touch, CD/digital)

CM von Hausswolff & Chandra Shukla – Travelogue [Bali] (Touch)

Bereits vor zwei Jahren erschien mit »Travelogue [Nepal]« von CM von Hausswolff & Chandra Shukla ein Album, für das sich die beiden in Kathmandu getroffen hatten, jetzt folgt mit »Travelogue [Bali]« eine weitere Ausgabe ihres internationalen Audio-Tagebuchs. Kurz bevor die Pandemie die Welt auf den Kopf stellen sollte, sammelten sie Aufnahmen von religiösen Zeremonien, der balinesischen Flora und Fauna sowie – natürlich! – Gamelan-Performances. Die beiden präsentieren das aber nicht als exotistische Diashow, sondern verdichten ihr Ausgangsmaterial. Bali klingt auf diesen fünf Stücken wie durch verschwommene Erinnerungen gefiltert.

Cruel Diagonals – Fractured Whole (Beacon Sound, LP/digital)

Cruel Diagonals – Fractured Whole (Beacon Sound)

Seit knapp fünf Jahren veröffentlicht die US-amerikanische Vokalistin und interdisziplinär arbeitende Künstlerin Megan Mitchell unter dem Namen Cruel Diagonals Musik, »Fractured Whole« ihr bereits drittes Album in dieser kurzen Zeit. Mitchell lässt sich wohl als Virtuosin bezeichnen, nutzt ihre breiten gesanglichen Fähigkeiten aber nicht etwa, um diese zur Schau zu stellen. Vielmehr inszeniert sie die im Albumtitel angesprochene Zerrissenheit als Polylog mit sich selbst und rahmt die bisweilen im Widerstreit stehenden Stimmaufnahmen mit scharfkantigen elektronischen Klängen ein. Das verleiht »Fractured Whole« einen gleichermaßen abstrakten Charakter wie es emotionale Durchschlagskraft erzeugt. 

Efraín Rozas – Still (Futura Resistenza, LP/digital)

Efraín Rozas – Still (Futura Resistenza)

Mit »Still« versucht der peruanische Komponist Efraín Rozas, sich vom westlichen Paradigma der Linearität loszueisen. Die quadrophonische Installationsarbeit wurde im Jahr 2021 während einer Residenz im New Yorker Queensland konzipiert und wirft im Albumformat die ihr zugrundeliegende Frage mit noch mehr Dringlichkeit auf. Lassen sich diese beiden, auf zwei LP-Seiten verteilten Stücke auf eine nicht-lineare Art und Weise rezipieren? Dass sie auf kompositorischer Ebene – bei dem einen Stück wird ein elektronischer Drone, im anderen in unregelmäßigen Intervallen erklingendes dumpfes Donnern hörbar – dem entfliehen möchten, wird allemal deutlich.

Les Espaces Électroacoustiques III (col legno, 2CD/digital)

Les Espaces Électroacoustiques III (col legno)

Nicht weniger als »Masterpieces of electroacoustic music« verspricht die Anthologie »Les Espaces Électroacoustiques III« zu bieten. Die dritte Ausgabe der laufenden, gemeinsam von col legno mit dem Zürcher Institute for Computer Music and Sound Technology betreute Serie umfasst Stücke aus den Jahren 1986 bis 2007, darunter solche von José Manuel López López, Kaija Saariaho und Peter Ablinger, und legt in dieser Auswahl einen thematischen Schwerpunkt auf die Entwicklungen im Bereich der Live-Performance elektronischer Musik seit Anbruch des digitalen Zeitalters. Auch ohne komparatistischen Blick darauf hat diese Zusammenstellung tatsächlich viel zu bieten. 

Mayssa Jallad – Marjaa: The Battle of the Hotels (Ruptured, digital)

Mayssa Jallad – Marjaa. The Battle of the Hotels (Ruptured)

Musik kann den Raum überbrücken, ist doch aber nie ortlos. Mayssa Jallad nutzt auf »Marjaa: The Battle of the Hotels« die Potenziale dieses vermeintlichen Problems aus. Die Stadtforscherin und Architekturhistorikerin verknüpft darauf mithilfe von Produzent Fadi Tabbal sowie Gastmusiker:innen wie Youmna Saba ihre Forschung über die Geschichte des Beiruter Hotelbezirks als eine Art fiktionalisierter und doch historisch informierter Psychogeografie. Auf musikalischer Ebene schöpft sie als versierte Sängerin aus einem reichen Fundus folkloristischer und populärer Formen, die sie gekonnt miteinander in Bewegung setzt. 

Nicola di Croce – Affects and aesthetic speculations (Grünrekorder, digital)

Nicola Di Croce – Affects and aesthetic speculations (Grünrekorder)

Mit »Affects and aesthetic speculations« übersetzt der Architekt und Klangkünstler Nicola di Croce eine ihn umtreibende Frage in sechs Stücke, für die Field Recordings aus Europa und vor allem seinem Herkunftsland Italien als Ausgangspunkt dienten: Wie kann sich ein Subjekt auf seine Umgebung »einstimmen«? Dazu präsentiert di Croce verschiedene Szenerien der »menschlichen« und »natürlichen« Welt, die bei genauem Hinhören viel Vertrautes bieten und doch eine Art Entfremdungseffekt auslösen. Die Atmosphäre eines Ortes erwächst schließlich immer aus diesem Widerspruch.

Pauline Oliveros – The Well & The Gentle (Important, 2LP/digital)

Pauline Oliveros – The Well & The Gentle (Important)

Das US-amerikanische Label Important kümmert sich weiterhin intensiv um die Aufbereitung von Pauline Oliveros’ breitem Schaffen. »The Well & The Gentle« versammelt verschiedene Aufnahmen aus dem Jahr 1984, die dereinst auf einer seit langem vergriffenen LP dokumentiert wurden. Die in verschiedenen Varianten mit dem Kammerensemble Relâche eingespielten Titelstücke sowie zwei zusätzliche Kompositionen sind von einer Lebendigkeit, wie sie Seltenheitswert hat, und legen Zeugnis von Oliveros’ radikalem Ansatz ab: Musik wurde von ihr als soziale Praxis verstanden, die einer kollektiven Feier von Klang und den sich damit umgebenden Menschen gleich kam. 

Piotr Kurek – Peach Blossom (Mondoj, LP/digital)

Piotr Kurek – Peach Blossom (Mondoj)

Nachdem der polnische Komponist Piotr Kurek im vergangenen Jahr mit »Edena« eines seiner Frühwerke neu aufgelegt und zugleich mit dem Album »World Speaks« viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, meldet er sich nun mit einer neuen LP zurück. »Peach Blossom« ist geprägt von Kureks markantem Umgang mit Stimmen, die elektronisch verfremdet und assemblagemäßig miteinander in Bewegung gesetzt werden. Die Grenzen zwischen elektronischen, instrumentellen und menschlichen Klängen verschwimmen wieder und wieder. 

Richard Skelton – selenodesy (Phantom Limb, LP/digital)

Richard Skelton – selenodesy (Phantom Limb)

Unvorstellbar für Berliner:innen, aber: Wenn Richard Skelton in den Nachthimmel schaut, gibt es dort viel zu sehen. Das Album »selenodesy« des britischen Komponisten zeigt sich inspiriert davon, dass er in seiner neuen Heimat im englischen Northumberland einen Ort mit geringer Luftverschmutzung und also bestmöglicher nächtlicher Aussicht gefunden hat. Zu diesem potenziell kosmischen Sujet passt es also, dass Skelton seine Auseinandersetzung mit Elektronik und Synthesizern vertieft. Der seine Musik durchwirkende minimalistische Ansatz bleibt ihr jedoch erhalten: Langsam und bedächtig baut er subtile Dynamiken auf. Der Sound planetarischer Bewegungen am Himmelszelt, sozusagen.

Valentina Magaletti & Laila Sakini – CUPO (LP/digital)

Valentina Magaletti & Laila Sakini – CUPO

Die nimmermüde Schlagzeugerin Valentina Magaletti und die Multiinstrumentalistin Laila Sakini bilden ein perfektes, weil sich nahtlos ergänzendes Duo. Beide haben auf sehr unterschiedliche Arten eine musikalische Poetik der kleinen Gesten entworfen und verweben ihre jeweiligen Ansätze auf den zwei Stücken von »CUPO« zur Perfektion. Anklänge von folkloristische Formen, Jazz oder Pop werden klanglich durch elektroakustische und elektronische Mittel in Szene gesetzt. Das ergibt eine ziemlich einmalige, intime und eindringliche Mischung. 

Marc Sinan – Gleißendes Licht (Rowohlt, Buch)

Marc Sinan – Gleißendes Licht (Rowohlt)

Kaum zu glauben, aber Marc Sinan hat neben seiner Arbeit mit der eigenen Company offenkundig noch die Zeit zum Schreiben gefunden. Sein Romandebüt »Gleißendes Licht« schöpft aus der Biografie des Komponisten und erzählt die Geschichte eines, na eben, Komponisten, der in der Türkei seiner eigenen Familiengeschichte nachforscht und sich darüber unweigerlich mit dem Genozid an den Armenier*innen auseinandersetzen muss. Das macht diesen Roman, veröffentlicht nur wenige Woche vor dem Jahrestag des Völkermordbeginns und Monate vor Neuwahlen in der Türkei, brandaktuell. Weiterhin gehört es zur Staatsräson, die systematische Verfolgung und Ermordung von bis zu 1,5 Millionen Menschen herunterzuspielen, wenn nicht gar direkt zu leugnen. 

Méandre(s) – An experience in spontaneous, collective creating (les presses du réel, Buch+CD+ DVD)

Méandre(s) – An experience in spontaneous, collective creating (les presses du réel)

Dass es sich bei »Méandre(s) – An experience in spontaneous, collective creating« nicht allein um ein Buch handelt, sollte allein der Titel bereits verdeutlichen. Die Veröffentlichung geht auf eine dreitägige Konferenz im Sommer 2021 zurück, die hier multimedial festgehalten wird. Die DVD umfasst einen Film Camille Auburtins über das Zusammentreffen, die CD neben einer Musique-concrète-Komposition Lionel Marchettis auszugsweise Mitschnitte der dortigen Diskussionen und das Buch mit französischsprachigen Beiträgen von unter anderem Anne Steiner, Benjamin Bondonneau und Vincent Fleury macht die aufgeworfenen Fragen zu Themenkomplexen wie Spontaneität und Kollektivität in Form von Essays, die wiederum von Fotos eingerahmt werden, für die Nachwelt urbar. Sehr viel Stoff auf einmal, deshalb aber lohnenswert. 

Timo Hoyer – Anthony Braxton. Creative Music (Wolke, Buch)

Timo Hoyer – Anthony Braxton. Creative Music (Wolke)

»Anthony Braxton. Creative Music« versucht das nahezu Unmögliche: Dem Schaffen Anthony Braxtons gerecht zu werden. Über 700 Seiten widmet Timo Hoyer dem AACM-Mitglied, dessen Wirken immer wieder die künstlichen Grenzen zwischen E- und U-Musik unterlief und ihnen eine künstlerische Vision entgegenstellte, in die viele theoretischen Überlegungen einflossen und die in der Praxis vor allem eins macht: einen Heidenspaß. Dass einem dermaßen flexiblen Komponisten, Musiker und Denker ein solch monumentales Buch gewidmet wurde, ist da eigentlich ein schöner Widerspruch.

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