Olivia: Es kommen immer noch Geschichten über Machtmissbrauch und Fehlverhalten in großen Institutionen ans Tageslicht. Es wird eine Weile dauern, bis damit richtig umgegangen wird und es sich ändert. Komponist*innen werden weiterhin als monolithische Figuren angesehen, obwohl sie nur Menschen wie du und ich sind! (lacht) Genau diese Denkweisen wollen wir nicht aufrechterhalten.
Wie wurden eure Arbeit und euer Ansatz im Allgemeinen bisher innerhalb der Szene aufgenommen?
Lara: Wir sind noch dabei, uns ein Publikum aufzubauen. Das ist nicht so einfach, weil wir ein noch recht junges Kollektiv sind. Unsere Mitglieder haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Das bedeutet, dass die Leute sich vielleicht für einige Aspekte unserer Arbeit interessieren, nicht aber unbedingt für alle.
Olivia: Im Rahmen unseres Auftritts beim Impuls fiel mir auf, dass ein Hunger nach alternativen Ansätzen und der Auflösung von Grenzen besteht, vor allem hinsichtlich der Trennung zwischen Publikum und Performance. Risikobereitschaft wird wertgeschätzt. Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts konnten wir in der gesamten Kultur – und nicht allein in der zeitgenössischen Musik – Veränderungen beobachten. Postmoderner Zynismus wurde von einer halb ironischen und doch aufrichtigen Haltung abgelöst. Mich inspiriert zum Beispiel Matthew Shlomowitz, der während eines Vortrags in Darmstadt fragte, warum wir uns in unserem Schaffen eigentlich auf eine Stimme beschränken sollten. Warum nicht atonale, pointillistische Texturen mit einem Samba-Rhythmus kombinieren? (lacht) Beim Impuls haben wir einige Stücke aufgeführt, die uns nach einem Call for Collaborations zugeschickt wurden, aber auch solche aus unserem eigenen Repertoire. Darunter war eines von Nik Bohnenberger, das sehr performativ und witzig ist. Das ergab insgesamt eine spannende Mischung und den Leuten hat es sehr gefallen. Ich glaube, viele sind sehr froh darüber, dass die supermodernistische Phase endlich vorüber ist. (lacht)
Was war die Idee hinter diesem Aufruf zur Zusammenarbeit?
Olivia: Wir möchten ein Portfolio aufbauen und verschiedene Dinge ausprobieren, allem voran Kollaborationen mit anderen Komponist*innen. Manche haben sehr vage Entwürfe eingeschickt, andere voll ausgearbeitete Partituren. Manches funktionierte, anderes nicht. Das war sehr spannend.
Lara: Wir sind gerade noch dabei, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln und experimentieren viel. Der Aufruf zur Zusammenarbeit gab uns die Möglichkeit, die Arbeitsweisen anderer Menschen zu verstehen und wie diese zu unserer eigenen Denkweise passen.
Olivia: Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir eine komplett autarke Gruppe sein möchten. Ich persönlich liebe es, mit anderen zusammenzuarbeiten und die Energie, die sie einbringen. Über mehr Möglichkeiten zu verfügen, unterschiedliche Projekte zu inszenieren und sie aufzuführen, ist immer ein Bonus. Ich denke auch, dass uns Kollaborationen bei unserem Selbstfindungsprozess helfen. Auf der anderen Seite ist es für uns von Vorteil, wenn wir unsere eigenen Konzepte und Aufführungen allein aufbauen. Das Kollektiv ist sehr jung und es braucht eine Weile, um alles ordentlich und professionell zu machen. Wir haben für das neue Projekt eine Teilförderung der Klangwerkstatt erhalten, was toll ist. Unsere Aufgabe ist es nun allerdings, Geldmittel aufzutreiben, um die Kosten für unseren Mehraufwand zu decken, das heißt, unsere Honorare an den irrsinnigen Arbeitsaufwand anzupassen. Darüber wird nicht oft genug gesprochen: In der Frühphase einer Ensemblegründung wird viel umsonst gearbeitet. Das ist es wert, das ist notwendig – es bleibt aber unbezahlt. Deshalb zählt jeder Cent.