Hanna Grześkiewicz bot Einblicke in die Wirkungsmacht des Klangs in sozialen Bewegungen und Protesten und stützte sich dabei auf ihre Forschungen in feministischen Aktivistenkontexten in Polen und Berlin. Die Künstlerinnen Nandita Kumar, Susie Ibarra, Arash Pandi und Karen Power stellten Arbeiten aus ihrem breit gefächerten Schaffen vor, in denen sie u. a. die Sonifizierung von Umweltdaten erforschen, soziale Projekte mit Feldaufnahmen verbinden und künstlerische Ansätze mit der Landwirtschaft verknüpfen. Aus dem Kulturmanagement präsentierte Valentina Bressan Konzepte und Strategien aus ihrer Arbeit zur Kommunikation über die Klimakrise in Opernhäusern und Ralf Weiß stellte das 2N2K-Netzwerk (Netzwerk Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur) und dessen »Nachhaltigkeitserklärung für den Kultursektor« vor, die im September 2022 mit 42 Unterzeichnern startete. Gina Emerson präsentierte Pläne, Konzepte und erste Erkenntnisse aus ihrer Postdoc-Arbeit im Verbundforschungsprojekt »A sustainable cultural mission for music - a new aspect of orchestral excellence«, einer gemeinsamen Initiative des RIFS (ehemals IASS) Potsdam und der Kammerakademie Potsdam.
- Valentina Bressan:
How to create events that support society in ecological change and a livable future (Expert Impuls) - Gina Emerson:
Social-ecological sustainability in contemporary musical cultures* Ideas and insights from a collaborative research project (Expert Impuls) - Hanna Grześkiewicz:
Sounds of Resistance (Expert Impuls) - Susie Ibarra:
Stories of the Desert in a Changing Climate with Joudour Sahara (Presentation on Artistic Practice & Discussion) - Nandita Kumar:
Sounding the Quintessential (Presentation on Artistic Practice) - Arash Pandi:
Arts and farming / Animal Rights issue (Presentation on Artistic Practice) - Karen Power:
Field Recording as composition (Listening Session) - Dr. Ralf Weiß:
Sustainability Declaration for the Cultural Sector by 2N2K (Presentation and Open Discussion)
Valentina Bressan: »Wie man Veranstaltungen schafft, die die Gesellschaft beim ökologischen Wandel und einer lebenswerten Zukunft unterstützen«
Beim Verfassen des Strategiepapiers für nachhaltige Entwicklung der Opéra National de Paris erkennt Valentina Bressan, dass sich die meisten Kulturinstitutionen heute ausschließlich auf eine Politik zur Verringerung ihrer negativen Auswirkungen konzentrieren. Während es offensichtlich ist, dass dieser Ansatz notwendig und wesentlich ist, ist sie jedoch überzeugt, dass die Welt der Kultur einen einzigartigen und bei weitem wichtigeren Wert hat, um die Gesellschaft beim ökologischen Wandel zu unterstützen. Sie nennt es ihre „Superkraft“. Bresson hat daher ihren Ansatz in zwei sich ergänzende Achsen unterteilt: die Verringerung negativer Auswirkungen und die Schaffung von Projekten zur Verstärkung der positiven Auswirkungen.
Diesem Ansatz folgend schafft sie maßgeschneiderte Veranstaltung für das Publikum der Oper, die glamourös, verspielt, prestigeträchtig, unwiderstehliches und absolut unverzichtbares Event. Erklärtes Ziel ist die Schaffung von Veranstaltungen in ganz Europa, die einen neuen Standard in der Opernwelt definieren und die stärker in die Gesellschaft eingebunden sind sowie verantwortungsvoller mit der aktiven Beteiligung von Künstler*innen umgeht. Der erwartete Nutzen besteht darin, das Bewusstsein des Opernpublikums für Umweltfragen zu schärfen.
Weitere Lektüre:
Gina Emerson: »Social-ecological sustainability in contemporary musical culture«
In ihrem Vortrag präsentiert Gina Emerson erste Erkenntnisse aus dem Verbundforschungsprojekt „Ein nachhaltiger Kulturauftrag für Musik - ein neuer Aspekt orchestraler Exzellenz“, eine gemeinsame Initiative des IASS Potsdam und der Kammerakademie Potsdam. Dabei leuchtet sie die Chancen und Herausforderungen des transdisziplinären Austauschs zwischen Forscher*innen und Künstler*innen zu Themen rund um Nachhaltigkeit aus und teilt Überlegungen, wie Maßnahmen zur Nachhaltigkeit ein Überdenken traditioneller Vorstellungen oder Standards von »künstlerischer Exzellenz« oder »Qualität« erfordern. Welche Formen der Selbstreflexion müssen Institutionen, Akteur*innen und Szenen in kunstmusikalischen Kontexten angehen, um nachhaltiges Arbeiten und Produzieren zu ermöglichen? Diese Fragen verknpft sie mit Überlegungen, welche Erkenntnisse die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit über die Rolle der Musik in der heutigen Gesellschaft und die Bedeutung von Publikums- und Gemeinschaftsbeziehungen für nachhaltige Bemühungen im Kulturbereich liefern können.
Dr. Gina Emerson ist Musikwissenschaftlerin, Projektmanagerin und Kuratorin. Ihre Forschung untersucht und verbindet diverse Themen im Bereich der Kunstmusik, u. A. Publikumserfahrungen mit neueren Musik, Nachhaltigkeit, kulturelle Teilhabe und die Rezeption und Verwendung neuer Musiktechnologien. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe „Kunst und Wissenschaft für nachhaltige Entwicklung" am IASS Potsdam. Seit 2020 ist sie Mitglied des Vorstandteams der BGNM e.V.
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Hanna Grześkiewicz: »Klänge des Widerstands«
Wie klingen soziale Bewegungen? Wie – wenn überhaupt – kann Klang eingesetzt werden, um Veränderungen zu bewirken? Welche Beziehung besteht zwischen dem*der Künstler*in und dem*der Aktivisten*in, wenn sie sich auf der Straße treffen?
Hanna Grześkiewiczs Beitrag untersucht Klang als eine Form des Widerstands. Sie erkundet die Grenzen und Potenziale klanglicher Handlungsfähigkeit, die fließende Grenze zwischen Künstler*innen und Aktivist*innen und was uns die Resonanzen sozialer Bewegungen über die Auswirkungen (und Affekte) der Besetzung des öffentlichen Raums sagen können.
Hanna Grześkiewicz ist Kuratorin, Wissenschaftlerin, Autorin und Aktivistin. Sie ist Teil der Forschungsgruppe der transmediale 2022 und ihre Forschung konzentriert sich derzeit auf die Beziehung zwischen Kunst und sozialen Bewegungen. Sie sitzt im Vorstand der Berliner Gesellschaft für Neue Musik, ist Mitgestalterin der Radiosendung morning stories im Warschauer Radio Kapitał und Co-Leiterin des preisgekrönten Ensembles The Hermes Experiment. Sie schreibt regelmäßig über Sound und Musik für Positionen und über politische Themen im Zusammenhang mit Osteuropa und Feminismus, zu denen sie für Arts of the Working Class, Rosa-Luxemburg-Stiftung, openDemocracy und jungeWelt geschrieben hat. Sie ist in mehreren feministischen und migrantischen Gruppen der Berliner aktivistischen Szene aktiv. Sie ist Teil des CTM ‘Research Networking Day’ am 29. Januar 2023, mit anderen internationalen Forscher*innen.
Weitere Lektüre:
- Hanna Grześkiewicz: LOOPING ARTS, RESEARCH, AND THE STREETS IN RECENT POLISH PROTESTS (APRJA Volume 11, Issue 1, 2022)
- Hanna Grześkiewicz (positionen): Street Fighting Human, Sounds of resistance in the streets of Berlin
Susie Ibarra: »Stories of the Desert in a Changing Climate« (with Joudour Sahara)
Die philippinisch-amerikanische Komponistin, Perkussionistin und Klangkünstlerin Susan Ibarra berichtet von einem mehrjährigen Projekt, das in Zusammenarbeit mit der NGO Joudour Sahara Music Program, der Playing For Change Foundation und dem Schweizer Projekt The Witness /Pro Helvetia entsteht. Wesentlicher Bestandteil des Projektes sind Field Recordings, die Susie Ibarra im Wadi Drâa, Marokko macht, die die nomadische Musikkultur und die ökologische Realität der Wüstenausdehnung dokumentieren und verbinden. Das Projekt entsteht vor Ort mit einer Gruppe von Mädchen, die über Klang einen neuen Bezug zu dem immer rarer werdenden Wasser entwickelt.
Susie Ibarra ist eine US-amerikanische Perkussionistin, Jazzschlagzeugerin und Komponistin. Ibarra arbeitete zunächst als Perkussionistin und interpretierte südostasiatische Gongmusik. Zunehmend arbeitete sie auch im Bereich der Neuen Improvisationsmusik, Opernmusik und Avantgardemusik. Ihr zentrales Wirken ist seit einigen Jahren im Bereich Umwelt.
Nandita Kumar: »Sounding the Quintessential«
In dem Vortrag untersucht Nandita Kumar Sound, Daten und Erzählung als kreatives pädagogisches Instrument zur Förderung des Umweltbewusstseins. Sie geht der grundlegenden Frage nach, ob das präsentierte Datenerlebnis für den Betrachter intuitiver und kreativer sein kann, so dass er neue neuronale Netze aufbauen und Erkenntnisse aus den präsentierten Daten ziehen kann. Können interaktive Archivsysteme so gestaltet werden, dass sie das freie assoziative Denken und den Prozess der Musterbildung fördern? Können grafische Notationen verwendet werden, um Datenarchive und Interaktionsstrukturen aufzubauen, die das Linearitätsmodell eines traditionellen Archivs durchbrechen? Können Klänge genutzt werden, um die Kluft zwischen Gedächtnis, Daten und freiem assoziativen Denken und Musterbildungsprozessen zu überbrücken? Wie kann man stärkere Erinnerungen schaffen, indem man kreative Methoden der Interaktion durch eine multisensorische Auseinandersetzung erforscht? Können Klänge genutzt werden, um die unsichtbaren Beziehungen/Netzwerke zwischen Menschen und dem sie umgebenden lebenden ökologischen System in den Vordergrund zu rücken? Drei Projekte mit unterschiedlichen Strategien bauen durch technologische Korrelationen, Materialeinsatz, Klang, Forschung, Interaktivität und Philosophie eine Erzählung auf, die die Menschen dazu anregt, grundlegende Fragen im Zusammenhang mit dem lebenden ökologischen Netzwerk zu erforschen.
Nandita Kumar, geboren 1981 in Pamplemousse, Mauritius, lebt in Goa/Indien und ist derzeit Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Sie ist eine New-Media-Künstlerin, die an der Schnittstelle zwischen Kunst, Umweltwissenschaft, Technologie und Gemeinschaft arbeitet. Sie erforscht den elementaren Prozess, durch den Menschen Bedeutung aus ihren Erfahrungen konstruieren, indem sie sensorische Erzählungen durch den Einsatz von Daten, Sound, Video/Animation und Performance, Smartphone-Apps, maßgeschneiderten Motherboards und Solar-/Mikrowellensensoren schafft. Ihr Interesse liegt darin, die Menschheit zu einer nachhaltigen Entwicklung voranzutreiben, die sich nicht nur auf den Umweltschutz, sondern auch auf die soziale Entwicklung konzentriert.
Arash Pandi: »Art and Farming«
Der Musiker Sound Designer Arash Pandi interessiert sich für die Schnittstelle zwischen Kunst und Landwirtschaft und initiiert Kollaborationen zwischen Landwirten und Künstler*innen. In einer offenen Sitzung mit Gesprächen, Feedback und Brainstorming tauschte er sich über die Aktivitäten und Möglichkeiten der Nutzung von Kunst und Netzwerken junger Landwirte für eine nachhaltige Zukunft aus.
Karen Power: »Field Recording as composition« | Listening Session
Als Komponistin betrachtet Karen Power den gesamten Prozess der Aufnahme von field recordings als erste Stufe der Komposition. Sie möchte gemeinsame Session beim Open Space nutzen, um einige Ideen darüber zu teilen, wie und warum sie zuhört und bestimmte Umgebungen aufsucht. Sie ist der Überzeugung, dass sie durch den Akt des Zuhörens, Aufnehmens und Erschaffens künstlerischer Werke mit Klängen aus unserer Welt einem breiteren Publikum die Zeit und den Raum für eine mögliche Verbindung und vielleicht sogar ein erneutes Hören einer Welt bietet, die wir die meiste Zeit unseres Lebens ignoriert haben.
Jeder Raum, jede Umgebung, jeder Ort enthält eine einzigartige klangliche Signatur, die sich als vorübergehend oder als dauerhaft im Raum präsentieren kann. Während der gemeinsamen Sitzung werden wir uns ausgewählte Feldaufnahmen anhören, die sie in einigen der isoliertesten und extremsten Umgebungen der Welt gemacht hat. Wir werden verschiedene Arten des Zuhörens erforschen, die uns helfen, uns durch Klang mit solchen Umgebungen zu verbinden, so dass wir sowohl die Einzigartigkeit als auch die Gleichartigkeit unserer eigenen lokalen Umgebungen respektieren und schätzen lernen, wenn sie weitgehend unbewohnt sind.
Karen Power: »Ich freue mich darauf, uns gemeinsam Zeit zu geben, um zu hören, wie Umgebungen kommunizieren/sprechen...sogar singen...wenn wir nur lernen können, sie wieder zu hören.«
Dr. Ralf Weiß:» Nachhaltigkeitsdeklaration für den Kulturbereich«
Die Nachhaltigkeitsdeklaration für den Kulturbereich ermöglicht Kunst- und Kultureinrichtungen, Kulturverwaltungen, Kulturverbänden und Kulturtreibenden aller Kultursparten eine Selbstverpflichtung zu globalen Klima- und Nachhaltigkeitszielen. Die Nachhaltigkeitsdeklaration konkretisiert den in der UN Agenda 2030 international geteilten Rahmen einer Nachhaltigen Entwicklung und dessen weitreichendes Nachhaltigkeitsverständnis für den Kulturbereich. Dies umfasst sowohl das Übereinkommen der UNESCO, die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu fördern und zu schützen, als auch die Vereinbarung des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Nachhaltigkeitsdeklaration für den Kulturbereich ist Teil der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Initiative Cultur4Climate. Mit der Unterzeichnung der Nachhaltigkeitsdeklaration schließen sich Einrichtungen und Akteur:innen des Kulturbereichs einer weltweiten Zukunftsbewegung an und schaffen für sich eine verbindliche Grundlage zur Verankerung von Nachhaltigkeit, kultureller Vielfalt und Klimaschutz in ihrer Organisation
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