Wenn man in Swansea die Brücke ins Stadtzentrum überquert, wird man von einem riesigen Plakat empfangen, auf dem steht: »More Poetry Is Needed.«(1) In der letzten Zeit gibt es eine bemerkenswerte Anzahl an Ausstellungen, die Ihre Arbeit umfassend präsentieren. Kann dieses Bedürfnis nach Poesie, nach einer kritischen Kunst, die Ausdrucksweisen jenseits von Parolen findet, ein Grund dafür sein? Würden Sie Forderung »More Poetry Is Needed.« unterschreiben?
Selbstverständlich finde ich auch, dass mehr Poesie gebraucht wird. Poesie vermag es, die Realität auf eine ganz besondere Weise zu erfassen und zu vermitteln, die über Slogans und oberflächliche Ausdrücke hinausreicht. Dieses zunehmende Bedürfnis nach Poesie trifft auf die Entstehung neuer Publikationsformen im Internet und oder in Live-Poesie-Abenden, wie Poetry Slams. Die Letzteren erfreuen sich seit Jahrzehnten enormer Beliebtheit. In den letzten Jahren hat das Interesse an meiner Arbeit tatsächlich deutlich zugenommen. Das könnte am wachsenden Bedürfnis der Menschen nach tieferen, nachdenklicheren künstlerischen Ausdrucksformen liegen.
In Ihren Werken verwenden Sie die gesamte Bandbreite von Medien: Sie schaffen Installationen und Videoarbeiten; Sie schaffen mit Collagentechnik, Fotos oder Metallen Bilder, die sie visuelle Poesie nennen und für Ihre Vokalperformances als grafische Partituren nutzen. Würden Sie sagen, dass Poesie immer noch der Kern Ihrer Arbeit ist?
Für mich ist Poesie die authentischste und ideale Art des Ausdrucks. Ich bemühe mich in all meinen Werken, diese Authentizität und Vielfalt zu vermitteln, ob es sich um lineare – also geschriebene – Poesie handelt, um visuelle Kunst, Lautpoesie oder Performance. Poesie ist eine universelle Sprache, die über die Grenzen der Medien hinausgeht und die menschliche Seele und das Unterbewusstsein direkt anspricht.
Sie haben immer wieder in Kollektiven gearbeitet, wie zum Beispiel dem Ensemble Spiritus Noister oder der Künstler*innengruppe Bosch+Bosch. Auch bei Heroines of Sound werden Sie Arbeiten präsentieren, die in Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen entstanden sind: Die Videoarbeit »O-pus«, die Sie 1972 gemeinsam mit Attila Csernik und Imre Póth entwickelt haben, und die Performance »Desire for Entanglement«, die sie zusammen mit der Sängerin Natalia Pschenitschnikova zur Uraufführung bringen werden. Was reizt Sie an solchen gemeinschaftlichen Kreationsprozessen? Wie sah dieser Prozess mit Natalia Pschenitschnikova aus und wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?
Das Spannendste an kollektiven kreativen Prozessen ist das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Perspektiven und Erfahrungen, die das Werk bereichern. In meiner Zusammenarbeit mit Natalia Pschenitschnikova haben wir uns gegenseitig inspiriert und ein Werk geschaffen, das unsere beiden künstlerischen Welten widerspiegelt. Im Verlauf unserer Zusammenarbeit haben wir einen offenen Dialog geführt, der es uns ermöglicht hat, unsere individuellen Ideen in unserem gemeinsamen Werk zu verwirklichen.