Klangwelten aus Licht und Schatten

Der Musiker und Filmemacher Michael Vorfeld im Portrait

10. September 2024 | Laura Kunkel

MICHAEL VORFELD MIT GLUEHLAMPE
©Michael Vorfeld

Der Improvisator, Filmemacher und Perkussionist Michael Vorfeld ist für seine einzigartige Glühlampenmusik bekannt. Am 19. September präsentiert er im Rahmen der Reihe ImproVisions im exploratorium berlin drei Kurzfilme, die seine zentralen künstlerischen Leidenschaften vereinen: Licht, Fotografie, Sound und Performance.

Wenn Michael Vorfeld von gerichtetem und diffusem Licht, Schaltelementen und elektromagnetischen Feldern spricht, leuchten seine Augen. Mit der Detailliebe eines Physikers erklärt er die Prozesse, die beim Erzeugen von Klängen durch Licht ablaufen. Seine künstlerische Reise begann schon in der Jugend. Während seine Altersgenoss*innen Gitarre lernten, wandte er sich der Perkussion zu. Nach dem Zivildienst war ein Musikstudium für ihn jedoch keine Option: »Ich wollte lieber Composer oder Performer sein, auch wenn der Begriff damals noch gar nicht so präsent war.« In den späten 1970er-Jahren gab es an den Hochschulen kaum Angebote für Improvisation oder größere Jazz-Abteilungen. Stattdessen zog es Vorfeld zur Fotografie – eine Ausbildung in einem Kölner Werbestudio führte ihn schließlich zum Studium der Medienkunst, wo er sich in den Bereichen Fotografie, Film und Video verwirklichte.

Still aus dem Film »Silhouette« von Michael Vorfeld, das einen Mann mit Leuchtstoffröhre zeigt
Filmstill aus »SILHOUETTE«
© Michael Vorfeld

»Gerade bei Fotografie und Film spielt natürlich das Licht eine extrem große Rolle. Nicht umsonst spricht man von Lichtbildern«, nimmt Vorfeld die weitere Entwicklung seines künstlerischen Schaffens vorweg. Bald entdeckte er Glühlampen als zentrales Element: »Das war damals die omnipräsente Lichtquelle, die man in allen möglichen Ausführungen bekam – als Strahler, als schwaches Licht, viel Schatten, wenig Schatten… und irgendwann hat es mich ein bisschen gestört, dass man das ganze Licht setzt, und auf dem Foto sieht man die Lichtquellen überhaupt nicht.« So begann Vorfeld, über Jahrzehnte hinweg Leuchtmittel zu sammeln und für seine sogenannte Glühlampenmusik zu verwenden. Hierbei werden die Lampen als aktive Steuerelemente eingesetzt, das Licht und der Stromfluss mithilfe von Dimmern, Blinkern und anderen Geräten so verändert, dass auch kleinste Geräusche im Inneren der Lampen durch Mikrofone hörbar gemacht werden. »Das ist viel trial and error«, gibt Vorfeld zu. »Mit den gleichen Schaltelementen und der Verwendung unterschiedlicher Glühlampen entstehen unterschiedliche elektromagnetische Felder, die wieder unterschiedliche Sounds hervorrufen.«

Der Animationsfilm »LICHTTON«, ebenso wie die Werke »LEUCHTSTOFF« und »SILHOUETTE« wurde auf 16-mm-Film gedreht. Sich auf die Ursprünge des Mediums zurückzubesinnen, ist Vorfeld in einer zunehmend digitalen Welt besonders wichtig: »Ich wollte nochmal klarmachen: DA ist diese Maschine, DA kommt das alles her. Das kommt nicht irgendwo aus den ›Clouds‹.« Deshalb befindet sich der Filmprojektor mitten im Publikum und nicht wie sonst an der Decke oder im Vorführraum. Während der Performance integriert Vorfeld die mechanischen Transportgeräusche des Projektors live in seine Komposition. Auch die Glühlampen spielen eine zentrale Rolle: In »LEUCHTSTOFF« kreisen sie um den Kopf der Performerin Fine Kwiatkowski, während hochfrequente Töne sich steigern, wie quälende Gedanken. Dass sich Vorfeld auch vor der Kamera wohlfühlt, zeigt »SILHOUETTE«. In diesem Film wird er selbst zum Akteur, der sich rhythmisch zum brummenden Beat bewegt und, zunächst hastig, dann bedächtig, wie ein Schatten durch das Dunkel manövriert. Es ist die Vielseitigkeit, die Vorfelds Schaffen so besonders macht. »Das eine befruchtet auch wieder das andere«, sagt er, aber es sei auch »eine tierische Arbeit«.

PROJIZIERTES BILD aus Michael Vorfelds Film »LICHTTON«
Projektion von »LICHTTON«
© Michael Vorfeld

Über die Autorin

Laura Kunkel studierte Kunstgeschichte in Berlin und Wien. Ihre zweite Leidenschaft lebt sie als freie Autorin aus und schreibt u.a. für HHV Mag, field notes und Musikexpress über musikalische Nischen, experimentelle Klänge und popkulturelle Phänomene.

Die Autorin Laura Kunkel vor einem herbstlichen Wald
Laura Kunkel
© Luise Schäfer

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