Sanftes Licht scheint durch die gläserne Öffnung im Dach, als würde es den Weg zu einer höheren Macht weisen. Kein sakraler Raum, sondern eine Art White Cube vermag diese kapellenartige Stimmung zu transportieren. Inmitten dieser fast heiligen Sphäre pfeift das Saxofon, heult die Violine und plätschert die Elektronik, als würden sie alle uns etwas mitteilen wollen. Etwas, das Unbehagen auslöst, ein tiefes Gefühl von Ungewissheit. Ungewissheit in dieser unvorhersehbaren Gegenwart, in der alles immer schneller, immer optimierter vorangeht, und keine Zeit für das Innehalten bleibt.
Wie eine Haarsträhne, die durch die Luft wirbelt und nie zum Stillstand kommt, kein Ziel verfolgt – so beschreibt der Künstler Dolanbay das Konzept von »Performacy«. Mit dem Begriff spielt er auf die gegenwärtige neoliberale Politik an, unter der das demokratische System immer mehr zu zerbrechen scheint, wie die Violinistin Elo Masing stellvertretend erläutert. Wie Dolanbay selbst anmerkt, droht auch die Kunst, dem Spätkapitalismus zu erliegen – und verweigert daher jegliche Regeln, folgt keiner festen Struktur und lässt den Ausgang offen. Dieser Gedanke knüpft an eine Entwicklung an, die seit den 1960er-Jahren bekannt ist: Fluidität, Vergänglichkeit und Wiederholung definieren seither den künstlerischen Prozess. Genau dort knüpft die Performance an, die im Meinblau Projektraum, auf dem geschichtsträchtigen Gelände des Pfefferbergs, mit musikalischer Reduziertheit auf die minimalistischen Gemälde Dolanbays reagiert.
Das Trio, bestehend aus Francis Heery, Malwina Kołodziejczyk und Elo Masing, wechselt immer wieder seine Position im Raum, wobei es sich stets zwischen den Pastellbildern bewegt. Einer cremefarbenen Komposition von Dolanbay zugewandt, gleitet Masing mit dem Bogen wie in Zeitlupe über die Saiten der Violine – ein vorsichtiges, kaum vernehmbares Herantasten. Im Dialog mit dem Bild wird aus dem Gleiten eine hüpfende Bewegung, aus der Gedämpftheit ein leises Zittern. Masing, die Privatunterricht bei der Komponistin und Violinistin Rebecca Saunders erhielt, nähert sich ihrem Instrument hier auf eine gänzlich unkonventionelle Art. Heery, dessen Musik von Science-Fiction und Okkultismus inspiriert ist, steuert in dieser Performance atmosphärische Klänge bei, die zwischen Unterwasserwelt und Weltraum changieren. 2018 vertonte er den Gesang der Nachtigall als Auftragsarbeit für das Berliner Naturkundemuseum. Dieses Mal imitiert die Saxofonistin Kołodziejczyk mit ihrem Instrument trillernde Sounds, die jenen eines gefiederten Tieres oder eines jaulenden Hundes nahekommen, um im nächsten Moment das Klappern der Knöpfe und des Mundstücks in tonlose Melodien zu verwandeln.
Langsam steigern sich die drei Instrumentalist*innen an diesem Abend zu einem chaotischen Miteinander und antworten auf die Gemälde im Hintergrund, in denen sich klare Linien ineinander verheddern und ein nahezu geometrisches Dickicht aus Formen und Farben bilden. Die darunter verborgenen Schichten wollen freigelegt werden – das dunkle Braun unter dem Fliederton, das matte Schwarz hinter einem löchrigen Vorhang aus Weiß. Sanft lässt Elo Masing den Bogen über die Saiten hüpfen, bringt das Instrument zum Knarzen wie alte Dielen. Die anfangs zurückhaltendeOberfläche beginnt zu bröckeln. Unbehagen macht sich breit. Ein Kind beginnt zu schreien, dann bitterlich zu weinen. Obwohl die Mutter es nach draußen begleitet, dringt der Jammer immer wieder hindurch.
Als auf das trotzige Kindergeschrei im Hintergrund plötzliche Stille folgt, wird der Moment des Innehaltens spürbar. Trotz des aufkommenden Unbehagens und der tiefen Ungewissheit schafft die Performance eine fast meditative Atmosphäre, die den Raum mit einer leisen, nachklingenden Introspektion füllt. Es ist diese fragile Balance zwischen Chaos und Ruhe, die die Zuhörer*innen in einen Zustand versetzt, der sowohl beunruhigend als auch tröstend zugleich ist.