Gordon Kampe & Ulrich Kreppein & Fabian Czolbe im Gespräch
Opern haben oft das Verborgene an die Oberfläche gezerrt, die Sehnsüchte, Ängste und – vor allem – Begierden. Besonders in der Oper des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts waren es die unausgesprochenen sexuellen Wünsche, die hinter den bürgerlichen Fassaden in den Klangexzessen von Wagner, Schreker, Zemlinsky oder Strauss ihren Ausdruck fanden. Auch wenn viele Tabus von damals heute keine mehr sind, so verdrängen wir auch heute vieles: Begierden, aber vielleicht eher Hass, Angst, Wut oder Ratlosigkeit. Vielleicht sind deshalb Horrorgeschichten angemessener als das verdrängte Begehren der Jahrhundertwende, denn auch Horrorgeschichten konfrontieren uns mit Verdrängtem, sie adressieren kollektive Ängste und sind (man denke an Filme wie »Get Out« (2017) von Jordan Peele) dadurch immer politisch.
Horror-Opern scheinen die angemessene Antwort auf eine Zeit der Unsicherheit. Opern sind in der Bewältigung und Konfrontation kollektiver Ängste vor dem eigenen Ich so wichtig und relevant wie eh und je. Was auch immer sich in den Untiefen der kollektiven Seelen verbirgt, was immer uns an uns selbst ängstigt, die Oper fördert es zu Tage – aber so, dass sich verdrängte Ängste in ein wohliges Gruseln und versteckte Begierden in Sehnsucht verwandeln. Opern können nämlich zaubern!
Im Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Fabian Czolbe geben die Komponisten Gordon Kampe und Ulrich Kreppein Einblicke in ihr aktuelles Opernschaffen, insbesondere in »Frankenstein« (Kampe, UA 2017 Deutsche Oper Berlin) und »Caligari« (Kreppein, UA 2026 Theater Coburg).