Mit den eigenen Ohren zum Fieldrecorder werden: Das heißt im Hundeauslaufgebiet Düppel hören, sehen, riechen und fühlen. Von manchem mehr, von manchem weniger, ganz wie man selbst die Situation fokussiert und wie es Jahres-, Tageszeit und Wetter vorgeben.
Während durch die Äste das Licht mitunter wildspielend in Kontrasten Akzente setzt, kann es im Frühling sein, dass sich das Brummen von Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen wie ein unendlicher Orgelpunkt im durch milde Winde im Gezweig sich auf- und abwiegende Rauschklänge verbindet und Kieferzapfen dazu knispelnd ihre Samen freigeben. Bis es wieder still ist und man nur noch die eigenen Schritte vernimmt, die sich – auch das je nach Jahreszeit und Wetter – fast geräuschlos oder im gefallenen Herbstlaub raschelnd, im Winterschnee knirschend oder im, von einem Starkregen hervorgerufenen, matschigen bis pfützennassen Weg titschend-filigranen und schmatzend-süffigen Klang äußern.
Durch das Jahr hindurch kann man bei Westwind die nahe Autobahn rauschen hören, bei Regen deutlich lauter, der sein Rauschprofil dann hinzufügt. Die Schallschutzwände zwischen dem alten Berlin-Brandenburger Grenzübergang Dreilinden und dem Checkpoint Bravo dämpfen da nur weniges heraus. Es kommt darauf an, wie man sie interpretieren will: als (störende) Klangergänzung der technisch-motorisierten Welt, als Alternativklang zum Tongrundcluster der unsichtbaren Bienchen oder als Nachahmung des Rauschens eines Wildbaches im Gebirge. All das erzeugt ein vielfarbiges, gut differenzierbares Rauschfeld. Ostwind lässt mittags Totenglocken benachbarter Friedhöfe herüberwehen. Und ab und an huscht ein Eichhörnchen oder Mäuschen durchs Blätterwerk, während ein Eichelhäher vor dem Einflug eines Mäusebussards rätschend warnt.
Dass hier überhaupt Publikum sich in die Landschaft fügt, ist einerseits Ausweisung des Waldstücks als Hundeauslaufgebiet geschuldet. Fernes, aufgeregtes Hundegebell kündet von – sei es Freude, sei es Ärger – zwischen Lebewesen, dem sich mitunter, sehr selten, der Klang gegenseitigen menschlichen Unverständnisses untereinander hinzugesellt. Andererseits: Der alte Mauerweg führt ebenso plappernde Touristen in Wandergruppen oder auf Fahrrädern durch diesen Klangsaal, der sich für seine unselige Geschichte nicht interessiert, wie wohl auch die gelegentlich zum sportiven Ausdauerlauf angehalten Grüppchen des nicht so fernen Hockeyclubs der »Zehlendorfer Wespen«.
Die Natur macht keine Fehler. Sie regiert das Klangfeld unermüdlich. Bis vielleicht zu der Stelle von Stille, wie man sie in durch Schnee gedämpften Momenten erlebt und etwaige Ohrgeräusche die Permanenz des Alleinseins ins Bewusstsein rücken. Das kann berührend sein, es kann auch bedrückend wirken, weil man die »soziale Welt da draußen« umso deutlicher durch ihre Abwesenheit in sich zu verspüren kann. Gesellig oder edukativ ist die Natur hier nicht.
Zwischen der fast beängstigenden Erhabenheit eines Herbststurmes mit krachend zu Boden fallenden Bäumen, der Elastizität einer Gassigehnotwendigkeit oder eines fast ereignislosen Dauergraus sind in diesem Rahmen viele akustische Nuancen realisiert. Gelangweilte Konzentration dürfte sich als angemessene Rezeptionsform anbieten. Doch Obacht: Schwarzkittelgerumpel!