Global Adapter: Eröffnung des Monats der zeitgenössischen Musik

Der Monat der zeitgenössischen Musik präsentiert zum dritten Mal gebündelt aktuelles Musikmachen in Berlin. Exemplarisch für die weitverzweigten Netzwerke der Szene eröffnen gleich drei internationale Ensembles gemeinsam im radialsystem den September.

In Berlin wird auf tausend Arten musiziert und die Künstler*innen kommen aus fast ebenso vielen Ecken der Welt. Mit Ensembles aus Berlin, Sydney und New York lieferte die Eröffnung des Monats der zeitgenössischen Musik einen Vorgeschmack auf die ästhetische Bandbreite des Septemberprogramms. Für ein zweiteiliges Projekt lud das Berliner Ensemble Adapter internationale Kolleg*innen nach Berlin ein: Im Juli spielten die Ensembles Dal Niente aus Chicago und Distractfold aus Manchester ein gemeinsames Konzert und im September begrüßte das Ensemble Adapter die Ensembles Offspring aus Sydney und das International Contemporary Ensemble (ICE) aus New York. Im 21. Jahrhundert, in dem Mobilität und Kommunikation unseren Globus immer kleiner werden lassen, könnten alle überall das gleiche spielen. Umso spannender ist, dass sie es nicht tun!

Zwei stark auf den Rhythmus fokussierten Stücke mit ungewöhnlicher Besetzung rahmten die erste Konzerthälfte: So stiegt das Ensemble Adapter brachial mit Þjóðlag von Páll Ívan frá Eiðum für Eimer und Bassklarinette ein und schloss mit Destroy Erase Improve von Paul Frick, bei dem ein verstärkter Diaprojekter den Takt schlug. Eine nachdenkliche und humorvolle Ebene bereicherte das interessante Stück. Das New Yorker International Contemporary Ensemble knüpfte mit Something to Hunt von Ashley Fure für Septet, das sich dissonant, minimalistisch und geräuschhaft gab, stärker an „klassische“ Neue Musik an. Als Kontrast dazu spielte Saxofonist Ryan Muncy von ICE dream-notes von Wojtek Blecharz. Gerade sucht man noch das Telefon, das die Tonleitern des Saxofons penetrant stört, da wird auch schon klar, dass es sich um ein Dutzend elektronische Spieldosen handelt, die durch den Zuschauerraum gereicht werden. Daraus entwickelte sich ein rauschhafter vieldimensionaler Effekt, der daran erinnert, dass sich manches eben nur im Konzertsaal erleben lässt. Etwas blass stand daneben das Ensemble Offspring mit Kate Moores Blackbird Song und Medieval Rococo von Thomas Meadowcroft, zwei ruhigere Stücke. Die zarten Melodien von Blackbird Song und die langsamen Akkorde in Medieval Rococo gerieten zum Teil etwas langatmig.

Nach der Pause kamen die drei Ensembles dann zu einem gemeinsamen Finale zusammen. In Sarah Nemtsovs Zimmer I-IV für drei Ensembles und Elektronik spielten die zwölf Musiker*innen in unterschiedlichen Gruppierungen abwechslungsreiche Abschnitte. Cleave von Natasha Anderson setzte mehr auf die Möglichkeiten zur Überwältigung durch einen großen Klangapparat. Das ging zum Teil bis an die körperliche Schmerzgrenze.

Drei Ensembles spielen acht Stücke. Ein Wunder, dass der Abend trotzdem so stringent gelungen ist. In der Vielseitigkeit steht er vielleicht exemplarisch für die Ausdifferenzierung der zeitgenössischen Musik. Schon in der Gesprächsrunde vor dem Konzert mit den Ensembles und der Journalistin Leonie Reineke stand das Thema Grenzenlosigkeit im Zentrum. Sowohl als Freiheit der Musik, aber auch als ökologisches Problem. Ein modernes Ensemble wie Offspring reist selbstverständlich für Konzerte von Australien nach Hong Kong oder Albanien. Das schadet der Umwelt, gehört aber zum Beruf. Die unterschiedlichsten Arten von Musik lassen sich den Rest des Septembers in Berlin hören und es reisen hoffentlich noch viele Zuhörer*innen in die 65 Veranstaltungsorte. Zum Konzert der Pyramidale kann man sogar ganz nachhaltig per Sondertram reisen.

Henry Salfner